Der Wirbelwind vom Tourbillon
Mit 71 ist es nun doch Zeit für die Pensionierung, wenn auch vermutlich nicht für den Ruhestand. 2021 hat Michel Alder aus Sion die Leitung der Fahrschule seinem Sohn übergeben.
«Hallôô, salut, bonjour, comment ça va ? » Wer am Markt-Freitag mit Michel Alder durch Sions Zentrum bummelt, bleibt fast im Sekundentakt hängen. Man könnte glauben, der Hauptort des Kantons sei ein Dorf und Alder der Gemeindepräsident. Doch Michel Alder ist Fahrlehrer. Ein Sohn der Stadt, seit seiner Geburt vor 71 Jahren, offen und spontan. Einer, der Menschen liebt.
Anfang 2021 hat Michel die Leitung seiner Fahrschule Sohn Ronnie übergeben, so wie er sie einst von Vater Charles übernahm, der die Firma 1945 ins Leben gerufen hatte. Ein Familienbetrieb entstand; so ist auch Michels’ Mutter eine der ersten Fahrlehrerinnen der Schweiz geworden und danach kam seine Frau Ingrid ins Unternehmen, um während 30 Jahren hier zu unterrichten. Die Affinität zur Mobilität auf vier Rädern reicht sogar noch weiter zurück, denn Charles Vater wiederum betrieb eine Autogarage anfangs letzten Jahrhunderts in Brig. Damals waren es die Garagisten, die den Leuten das Autofahren beibrachten. Wobei Michel alles andere als ein Autonarr ist. «Mich fasziniert das Verhalten der Fahrzeuglenker, nicht das Fahrzeug.»
Michel Alder musste 71 werden bis zur Pensionierung. Wer ihn live und quirlig erlebt, versteht warum. «Ja, ich habe immer noch viel Energie», lacht der frühere Marathonläufer und Hochgebirgs-Bergsteiger. Nach Marktbesuch und Mittags-Fondue schreitet er zügig die Altstadt hoch Richtung Schloss Tourbillon.
Beruflich hat er so manches bewegt: Alder war, ganz jung, als Lastwagen-Fahrlehrer bei der Migros, in allen Genossenschaften der Schweiz, für das umweltfreundliche Fahren der Lastwagenchauffeure im Einsatz, «und dies 40 Jahre vor Greta Thunberg». Er ist Mitgründer des ehemaligen SMFV und Mitgründer der Quality Alliance Eco-Drive, er arbeitete im Vorstand des Nationales Ausschusses der Fahlerer, Vorgänger des SFV – heute: L-drive Schweiz. Gründete, aus Unzufriedenheit über das Bestehende, eine Fachschule für die Fahrlehrer-Ausbildung, nachdem er ein Studium an der Uni Genf über Ausbildung und Erziehungs-Wissenschaft absolvierte. Die Idee war nicht eine Konkurrenz der bestehenden FRE zu schaffen, sondern eine Alternative aufzuzeigen. Dies was am Standort Sion dann doch ein zu kühnes Unterfangen und wurde bald wieder abgebrochen.
Er war Fachlehrer aller Kategorien und ist heute noch die spezialisierte Fahrschule der SUVA Rehaklinik Sitten. Michel Alder war während diesen über vierzig Jahre in vielen Fachkommissionen u.a. des ASTRA und des VSR tätig. Er schmunzelt: «Es gab Kritiker, die unkten, einer allein könne doch nicht von allem etwas verstehen.»
«Es gab Kritiker, die unkten, einer allein könne doch nicht von allem etwas verstehen.»
Michel Alder, 71
Er aber ist davon überzeugt, gibt sich aber auch selbstkritisch. Ihm, dem Zweisprachigen, war die Zusammenarbeit zwischen Romands und Deutschschweizern wichtig, doch sei es auch ihm lange nicht gelungen, die Fahrlehrer der beiden Sprachgebiete zusammenzubringen. Es brauchte über dreissig Jahre und viel Herzblut, doch heute sei es dem SFV gelungen, einen nationalen Zusammenschluss herbeizuführen.
Auch sei es ihm nicht geglückt, die «Abwertung und den Bedeutungsverlust» der Fahrausbildung, wie er es sieht, zu verhindern. Dies zu schaffen, ist wohl auch zu viel verlangt für einen einzelnen Fahrlehrer aus dem Wallis, und sei er auch noch so quirlig.
Dieser Kompetenzverlust von den Fahrlehrern im Zusammenhang mit Verkehrssicherheit zeige sich an diversen Beispielen. Eines davon sei die «Trivialisierung des Autofahrens», aber auch die Ausbildung von Verkehrsexperten, die heute aus der Generation Y stammen, geboren in Zeiten der Digitalisierung, «wo alles einfacher werden muss, dadurch weniger anspruchsvoll wurde». Dazu gehört für ihn auch die Aussicht auf autonome Fahrzeuge, die zu Recht oder zu Unrecht die Illusion erweckt, das Fahren nicht mehr lernen zu müssen, ganz zu schweigen von der Möglichkeit, ab 17 Jahren mit Laien zu lernen. Michel sagt danke an die Politik, an ASTRA und asa, «die einen Mehrwert, den Fahrlehrer hätten bringen können, nicht unterstützt haben». Der Dank sei natürlich ironisch gemeint.
«Früher hatten wir», sagt Michel, «die Pioniere der ganzen Didaktik und Methodik es mit Leuten zu tun die, unter anderem, etwas von dem Motorrad verstanden haben, denn sie waren selbst Motorradfahrer», so wie Daniel Regamey, Hubert Schalbetter, Pascal Blanc vom DJPD, das heutige ASTRA, dann natürlich Fred Eichenberger, Denis Huguenin, Stephan Siegrist, Aldo Prospero, Willy Wismer, Peter Bischofsberger, Sepp Schuler, Peter Rechberger und Werner Waldmeier, «und sicher vergesse ich einige». Alles Leute, die viel investiert und nur wenig geerntet hätten. Obligatorische Motoradkurse, Verkehrskundeunterricht, WAB Kurse… «Heute haben wir es nur noch mit Technokraten und Bürokraten zu tun, und das hat uns sehr geschadet.» Alder räumt ein, von «diesem Leiden» seien auch andere Sparten betroffen.
Michel Alder wünscht, dass diese Fahrlehrerschaft wieder zusammenkommt und das geht nur auf nationaler Ebene durch den Verband L-Drive Schweiz. «In der heutigen Gesellschaft schaut jeder nur auf sich, und das bringt uns nicht weiter.» Wenn die Jüngeren Verantwortungen übernehmen würden, könnten sich die «Grauhaarigen» zurücklehnen. aber dennoch zur Verfügung bleiben. Ausserdem wünscht sich Michel Alder mehre Frauen an den Verbandsspitzen.